Das Geheimnis unter dem Boden – Der Fall Reus und die zwei Körper im Berliner Untergrund
Das Geheimnis unter dem Boden – Der Fall Reus und die zwei Körper im Berliner Untergrund
Als der 32-jährige Ingenieur Matteo Stein im Herbst das alte Apartment in Berlin-Mitte kaufte, erwartete er nichts weiter als eine mühsame Renovierung. Das Gebäude stammte aus den 1930er-Jahren, hatte den Krieg überstanden und war in den Jahrzehnten danach mehrfach umgebaut worden. Die Maklerin hatte nur beiläufig erwähnt, dass es früher als kleiner Luftschutzraum genutzt wurde. Für Matteo war das ein historisches Detail – bis der Boden anfing zu sprechen.

Während er die rissigen Fliesen im Wohnzimmer entfernte, bemerkte er ein hohles Geräusch. Er klopfte erneut – wieder klang es anders, dumpf, fremd. Er legte mehrere Fliesen zur Seite und entdeckte eine rechteckige Metallplatte, fest verschraubt und zusätzlich mit zwei Schichten Farbe überdeckt. Eine hölzerne Zugöse ragte gerade so aus dem Rand.
Es war eindeutig: Jemand hatte absichtlich versucht, diese Luke zu verbergen.
Matteo rief die Polizei. Stunden später öffnete ein Ermittlerteam der Berliner Kriminalpolizei die Luke, die rostig knarrte, als hätte sie jahrzehntelang gewartet. Eine steile Leiter führte hinab in einen kleinen, fensterlosen Raum, kaum größer als ein Abstellkammer.
Der Geruch war das erste, was die Ermittler traf. Dann die Stille.
In einer Ecke lag ein Paar menschlicher Überreste – zwei Körper, stark verwest, doch überraschend gut erhaltene Haarreste hingen noch an den Schädeln, schwarz und grau verfärbt. Die Knochen waren dunkel, teilweise brüchig, als wären sie jahrelang einer feuchten, schlechten Belüftung ausgesetzt gewesen.
Neben ihnen stand ein alter, brauner Koffer, verschlossen mit einem metallenem Zahlenschloss, verrostet, aber nicht zerstört. Niemand berührte ihn. Die Szene wurde fotografiert, abgesperrt, dokumentiert.
Einer der Ermittler murmelte:
„Wie lange hat das hier unten auf uns gewartet?“

Der frühere Besitzer – und sein Schock
Die Polizei kontaktierte den letzten eingetragenen Eigentümer: Alfred Reus, 68 Jahre alt, wohnhaft in Brandenburg. Er wurde noch am selben Abend in Gewahrsam genommen und nach Berlin gebracht.
Während des Verhörs blieb Reus zunächst schweigsam. Er wirkte nervös, aber nicht überrascht – eher wie jemand, der wusste, dass dieser Tag kommen würde.
Als ihm schließlich das Foto der beiden Körper vorgelegt wurde, veränderte sich seine Haltung schlagartig.
Sein Gesicht verlor jede Farbe, die Hände begannen leicht zu zittern.
Lange blieb der Raum still, bis er mit brüchiger Stimme flüsterte:
„Ich dachte, diese Akten wären vernichtet worden … Ihr versteht nicht.
Sie waren keine normalen Menschen.“
Die Ermittler tauschten Blicke aus – irritiert, aber aufmerksam. Sie hatten im Laufe ihrer Karriere viele Ausreden gehört, viele Lügen, aber diese Worte hatten einen anderen Ton. Einen Ton, der zwischen Angst und Schuld lag.

Ein Apartment voller Fragen
Die Kriminaltechnik analysierte die Hohlräume, die Wände und die Fundstücke. Die ersten Ergebnisse deuteten darauf hin, dass der Raum in den späten 1970er-Jahren erweitert und neu versiegelt worden war – unabhängig von den ursprünglichen Kriegsstrukturen des Gebäudes.
Das bedeutete: Jemand hatte lange nach dem Krieg bewusst einen geheimen Raum geschaffen. Und jemand hatte dafür gesorgt, dass niemand ihn finden würde.
Der Koffer wurde als mögliches Beweisstück eingestuft, aber zunächst nicht geöffnet, da man befürchtete, Sprengfallen oder biologisch gefährliche Materialien könnten enthalten sein. Das BKA wurde hinzugezogen.
Währenddessen versuchte die Polizei weiterhin, Reus zum Sprechen zu bringen. Doch er wiederholte nur, was er zuvor gesagt hatte:
„Ich habe sie nicht getötet. Ich habe sie nur versteckt.
Weil sie etwas gesehen hatten … etwas, das nicht für die Welt bestimmt war.“
Mehr sagte er nicht.
Ein Schatten aus der Vergangenheit


Die Ermittler gingen alten Meldeunterlagen, verschwundenen Personenakten und Vergessenem aus Ost-Berlin nach. Ein immer deutlicheres Bild entstand:
In den 1970er-Jahren hatten in genau dieser Straße mehrere Menschen plötzlich ihre Wohnungen aufgegeben. Zwei davon waren nie wieder aufgetaucht. Doch damals wurden die Fälle nie miteinander verbunden.
Nun lag die Wahrheit – oder zumindest ein Teil davon – im Untergrund eines harmlos wirkenden Apartments.
Ein Fall, der Berlin erschüttert
Die Medien erfuhren schnell von dem Fund. Manche spekulierten über Stasi-Geheimnisse, andere über Serienverbrechen. Doch die Ermittler wussten, dass dieser Fall komplizierter war.
Warum hatte Reus den Raum gebaut?
Wer waren die beiden Toten?
Und was meinte er mit „Sie waren nicht normal“?
Die Antworten lagen vielleicht in dem verrosteten Koffer.
Oder in den Schatten eines Kapitels deutscher Geschichte, das nie vollständig erzählt worden war.




