Das Verschwinden der Lina Keller – und das Geheimnis, das nach 15 Jahren aus dem Wasser stieg
Das Verschwinden der Lina Keller – und das Geheimnis, das nach 15 Jahren aus dem Wasser stieg
Fünfzehn Jahre lang lag der Waldsteinsee im Süden Deutschlands still und unscheinbar da, eingehüllt in eine trügerische Ruhe. Er war ein beliebter Ort für Spaziergänger, Angler und Touristen – doch niemand ahnte, dass tief unter seiner Oberfläche ein Geheimnis ruhte, das eine ganze Region erschüttern würde.

Im Spätsommer dieses Jahres jedoch fiel der Wasserspiegel drastisch. Eine außergewöhnlich lange Trockenperiode ließ den See so weit zurückweichen, dass die Bewohner des nahegelegenen Dorfes erstmals in Jahrzehnten den schlammigen Grund sehen konnten. Zunächst entdeckte man nur Steine, alte Fahrräder und verrostete Metallstücke. Doch dann, an einem grauen Morgen, ragte plötzlich die Ecke eines Autodaches aus dem Schlick – überwachsen von Algen, deformiert, unheilvoll.
Schon am Nachmittag war das Gelände abgesperrt, die Polizei vor Ort. Taucher und Spezialisten begannen, das Fahrzeug vorsichtig freizulegen. Der Geruch von jahrzehntealtem Schlamm hing schwer in der Luft, als das Auto langsam aus der Tiefe an die Oberfläche gezogen wurde. Ein alter Volkswagen, Modell Anfang der 2000er. Die Fenster zerborsten, die Türen verbogen. Der Anblick allein ließ erahnen, dass dieses Auto nicht zufällig im See gelandet war.

Als die Türen geöffnet wurden, legte sich für einen Moment absolute Stille über die Einsatzkräfte. Auf dem Fahrersitz befand sich ein menschliches Skelett – erstaunlich gut erhalten, der Schädel noch an seinem Platz, einige Haarsträhnen auf der Kopfstütze verfangen. Trotz jahrelanger Zersetzung war sofort klar: Das war kein kürzliches Ereignis. Hier lag jemand, der seit langer Zeit vermisst wurde.
In der Mittelkonsole fand man schließlich einen morschen Geldbeutel. Darin, kaum noch lesbar, ein alter Bibliotheksausweis: Lina Keller, 22 Jahre alt. Eine junge Frau, die genau vor 15 Jahren spurlos verschwunden war. Ihr Fall hatte damals bundesweit Aufmerksamkeit erregt. Wochenlang suchte man nach ihr – ohne Erfolg, ohne Hinweise, ohne Antworten.
Mit dem Fund im See schien das Rätsel endlich gelöst zu sein. Doch sehr schnell stellte sich heraus, dass es im Gegenteil erst begonnen hatte.
Ein Unfall? Oder etwas viel Düsteres?


Die Ermittler brachten das Fahrzeug ins Landeskriminalamt nach Berlin, wo es sorgfältig untersucht wurde. Relativ schnell wurde klar: Das Auto war nicht einfach ins Wasser gerollt. Der hintere Teil des Wagens wies einen massiven Einschlag auf, eine tiefe Delle, als wäre Lina von hinten mit großer Wucht gerammt worden.
Die Experten erklärten, dass ein solches Schadensbild dafür sprechen könnte, dass das Fahrzeug absichtlich von der Straße gedrängt wurde – möglicherweise sogar mit hoher Geschwindigkeit.
Auf dem verbogenen Metall fanden Forensiker außerdem Rückstände einer anderen Lackfarbe. Die Hoffnung, dadurch den damaligen Unfallverursacher zu finden, wuchs – doch nach 15 Jahren war die Analyse schwierig und die Spur unsicher.
Linas Familie reagierte erschüttert auf den Fund. Ihre Mutter sagte unter Tränen:
„Wir wollten irgendwann einen Ort zum Trauern… aber nicht so. Nicht auf diese Weise.“
Für Polizei und Staatsanwaltschaft war damit klar: Der Fall wird wieder eröffnet.
Die Frage, die alle stellt: Wer wollte Lina verschwinden lassen?

Damals hatte die Polizei verschiedene Theorien überprüft: eine freiwillige Flucht, eine Entführung, ein Liebesdrama, ein Unfall. Nichts davon ließ sich beweisen. Nun aber, mit den neuen Erkenntnissen, fokussieren sich die Ermittlungen auf einen möglichen Täter.
Ein Detail aus Linas altem Umfeld beschäftigt die Ermittler besonders: Kurz vor ihrem Verschwinden hatte sie Streit mit einem Mann aus ihrem Bekanntenkreis, einem Kollegen aus dem Café, in dem sie arbeitete. Zeugen berichteten damals, dass der Mann obsessive Tendenzen zeigte und sich nicht damit abfinden wollte, dass Lina keinen Kontakt mehr wollte. Mangels Beweisen war er jedoch nie angeklagt worden.
Nun wird er erneut befragt – diesmal als Hauptverdächtiger.
Ein See, der die Wahrheit nicht länger verbergen konnte
Die Fundstelle selbst gibt ebenfalls Rätsel auf. Der Teil des Sees, in dem das Auto lag, ist von der Straße aus schwer einsehbar. Damals war der Wasserspiegel höher; das Fahrzeug konnte problemlos Jahre lang verborgen bleiben. Alles weist darauf hin, dass jemand Linas Wagen absichtlich dorthin gelenkt oder hineingestoßen hat – an einen Ort, der perfekt geeignet war, Spuren zu verwischen.
Dass der Wasserspiegel nun ausgerechnet in diesem Jahr so tief sank, ist ein Zufall, der den Ermittlern einen Wendepunkt beschert hat.

Ein Fall, der noch lange nicht abgeschlossen ist
Die Polizei wertet weiterhin alte Telefonverbindungen, Vermisstenprotokolle und DNA-Spuren aus. Experten rekonstruieren die letzten Stunden von Lina Keller. Und während die Öffentlichkeit auf Antworten wartet, arbeitet das Ermittlerteam daran, die Wahrheit ans Licht zu bringen – egal wie spät sie kommt.
Der Waldsteinsee hat nach 15 Jahren endlich sein Geheimnis freigegeben.
Doch die Frage bleibt:
Wer versuchte damals, die Wahrheit unter Wasser zu begraben?




