Das Phantom vom Schluchsee – Das Rätsel eines Toten, der offiziell nie existierte
Der Schluchsee im Schwarzwald gilt normalerweise als idyllisches Erholungsgebiet: stille Wälder, klares Wasser, sanfte Hügel. Doch im Sommer 2018 verwandelte sich dieses Postkartenmotiv in den Schauplatz eines der rätselhaftesten Kriminalfälle Baden-Württembergs. Eine extreme Dürreperiode ließ den Wasserspiegel dramatisch sinken – und brachte etwas ans Licht, das zwei Jahrzehnte lang verborgen war: ein silbergrauer Mercedes aus dem Baujahr 1998. Im Inneren befand sich ein Toter, der für die Behörden bis heute keinen Namen trägt.

Die Entdeckung im ausgetrockneten See
Es war ein Spaziergänger, der im August 2018 die ungewöhnliche Form bemerkte, die aus dem schlammigen Grund herausragte. Als Einsatzkräfte den Schlick entfernten, tauchte das Fahrzeug vollständig auf – erstaunlich gut erhalten, aber ohne jedes Kennzeichen. Die Türen waren verriegelt, die Fenster geschlossen. Erst nach dem gewaltsamen Öffnen zeigte sich das Innere des Wagens: ein Skelett, angeschnallt auf dem Fahrersitz, vollständig verwest, aber eindeutig ein Mann.
Die Presse fand schnell einen Namen für das Mysterium: „Das Phantom vom Schluchsee“.
Der Inhalt des Fahrzeugs – Spuren, die mehr Fragen als Antworten liefern
Neben den Überresten des Mannes lagen im Wagen:
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eine Metallkassette, sorgfältig verschlossen, mit 6.000 Euro in alten Banknoten,
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ein kleiner Kalender, dessen Seiten voller handschriftlicher Notizen und Ortsangaben waren – viele davon entlang der Grenzregion Deutschland–Schweiz,
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verschiedene persönliche Gegenstände, jedoch keinerlei Ausweise, Führerschein oder Dokumente, die eine Identifikation ermöglicht hätten.
Besonders rätselhaft: Kein einziges der am Wagen gefundenen Motorteile oder Seriennummern ließ sich einem offiziell registrierten Fahrzeug zuordnen. Der Mercedes existierte – genau wie sein Fahrer – in keinem System.
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Die forensische Untersuchung – ein Mann ohne Vergangenheit
Die Rechtsmedizin datierte den Tod auf mindestens 15 bis 20 Jahre vor der Entdeckung. Tod durch Gewalt konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden, aber die Position des Körpers sprach gegen einen Unfall oder eine spontane Erkrankung mitten im See.
Daraufhin wurde der wichtigste Anhaltspunkt untersucht: sein Erbgut.
Das Ergebnis verstärkte das Rätsel. Die DNA des Mannes:
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stimmte mit keiner einzigen deutschen Datenbank überein,
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gehörte laut forensischer Einschätzung zu einer Person, die nie offiziell in Deutschland registriert wurde,
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ergab keine Treffer in internationalen Fahndungs- oder Vermisstenregistern.
Es war, als wäre dieser Mann ein Geist, der nie existierte – zumindest nicht für die Behörden.
Der Kalender – Hinweise auf eine doppelte Identität?


Der im Fahrzeug gefundene Kalender wurde zum wertvollsten Spurenstück. Darin notiert waren:
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Treffen in grenznahen Orten wie Waldshut, Laufenburg, Konstanz
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Uhrzeiten, Initialen und Abkürzungen
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Koordinaten und Hinweise auf Gebäude in der Schweiz
Doch nichts ließ sich eindeutig zuordnen. Keine Person mit den Initialen passte, kein Ort führte zu relevanten Veranstaltungen. Ermittler mutmaßten:
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Handel mit unversteuertem Geld?
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Schmuggel zwischen Deutschland und der Schweiz?
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Treffen im Milieu der organisierten Kriminalität der 90er Jahre?
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Oder schlicht private Notizen eines Mannes, dessen Leben keiner kannte?
Nichts davon ließ sich beweisen.
Warum verschwand der Mercedes im See?


Die Ermittlungen ergaben, dass der Wagen bewusst im Schluchsee versenkt worden sein musste. Es gab keine Spur von Aufprall oder Schleifspuren, die auf einen Unfall hingedeutet hätten. Damit blieben drei mögliche Szenarien:
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Der Mann fuhr selbst ins Wasser, um sein Leben zu beenden.
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Jemand setzte den bewusstlosen oder toten Mann hinein und ließ den Wagen im See verschwinden.
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Der Mann war Teil einer illegalen Operation, bei der sowohl Person als auch Fahrzeug „verschwinden“ sollten – nur scheiterte der Plan, ihn völlig unauffindbar zu machen.
Doch auch diese Theorien bleiben Spekulationen.
Ein Fall ohne Schlussstrich
Bis heute konnte die Identität des Mannes nicht geklärt werden. Die Behörden veröffentlichten 2019 eine digitale Rekonstruktion seines Gesichts – ohne Erfolg. Keine Familie meldete sich, kein Hinweis führte weiter.
Es ist ein Fall, der mehr an einen Thriller erinnert als an reale Kriminalgeschichte:
Ein Mann ohne Name, ein Auto ohne Herkunft, ein Geldbetrag ohne Erklärung – und ein See, der das Geheimnis zwei Jahrzehnte lang bewahrte.
Die Akte bleibt offen. Und solange niemand weiß, wer der Mann war, bleibt das Rätsel vom Schluchsee eines der mysteriösesten Kapitel der jüngeren deutschen Kriminalgeschichte.




