Im Dezember, als dichter Schnee die kleine Stadt Bad Münstereifel im Westen Deutschlands bedeckte, verwandelte sich die sonst friedliche Weihnachtszeit in eine Phase der Unruhe. Was zunächst wie eine harmlose Abwesenheit wirkte, entwickelte sich zu einem der rätselhaftesten Kriminalfälle, die die Region je erlebt hat – der Tod von Helga M., 79 Jahre alt.
Helga M. lebte allein in einem alten Haus am Ende der Straße, Hausnummer 17, direkt am Waldrand. Sie hatte keinen Ehemann, keine Kinder und kaum soziale Kontakte. Die Nachbarn beschrieben sie als still, zurückgezogen und äußerst pünktlich. Jeden Tag um exakt 17 Uhr brachte sie ihren Müll hinaus. Danach zog sie die Vorhänge zu und öffnete ihre Tür bis zum nächsten Morgen nicht mehr.
Niemand ahnte, dass sich hinter dieser Routine ein grausames Ende verbarg.

ERSTE UNHEILVOLLE ANZEICHEN
Etwa drei Wochen vor dem Fund der Leiche bemerkten die Anwohner erste Merkwürdigkeiten. Der Briefkasten quoll über – Rechnungen, Werbung, ungeöffnete Weihnachtskarten. Das Licht im Haus brannte jede Nacht durchgehend, obwohl Helga als extrem sparsam bekannt war.
Eine Nachbarin sagte später aus:
„Es war unheimlich. Man sah das Licht, aber nie Bewegung.“
Hinzu kam ein seltsamer Geruch – feucht, metallisch –, der besonders an windigen Tagen aus dem Haus drang. Doch niemand wagte es, zu klingeln. Helga hatte nie Besuch, und man wollte ihre Privatsphäre respektieren.
Am 18. Dezember alarmierte schließlich ein besorgter Anwohner die Polizei.
DAS ÖFFNEN DER TÜR
Die Polizei brach die Tür auf, nachdem niemand reagierte. Im Inneren herrschte eine bedrückende Stille. Die Luft war kalt, abgestanden. Möbel und Gegenstände wirkten unberührt, als hätte die Zeit angehalten.
Im Schlafzimmer im oberen Stockwerk machten die Beamten eine grausame Entdeckung:
Helga M. saß tot in einem alten Sessel, den Rücken an die Wand gelehnt. Sie trug einen grauen Wollpullover, einen Schal um den Hals. In ihren Armen hielt sie fest umklammert eine antike Pendeluhr, deren Glas zerbrochen war.
Die Rechtsmedizin stellte fest, dass sie seit mindestens zehn Tagen tot war. Todesursache: Strangulation. Es gab keine Einbruchsspuren, keine Anzeichen eines Kampfes, keine durchwühlten Räume.
Der Täter musste jemand gewesen sein, dem Helga freiwillig die Tür geöffnet hatte.

DAS DETAIL, DAS ALLES VERÄNDERTE
Die Pendeluhr wurde zum zentralen Beweisstück. Experten datierten sie auf das Jahr 1938. Ein seltenes Modell, das seit Jahrzehnten nicht mehr hergestellt wird.
Im Inneren der Uhr fanden sich Fingerabdrücke, die zu keiner Person in der nationalen Datenbank passten. Noch verstörender: Die Zeiger der Uhr waren bei 03:17 Uhr stehen geblieben.
Als die Polizei diese Information veröffentlichte, meldeten sich mehrere Nachbarn. Sie berichteten unabhängig voneinander, dass sie in den Monaten zuvor häufig ein Ticken aus dem Haus gehört hätten – immer in den frühen Morgenstunden.
Helga selbst hatte mehrfach behauptet, die Uhr sei „seit Jahren kaputt“.
DIE VERGESSENE VERGANGENHEIT DES HAUSES
Die Ermittler begannen, die Geschichte von Haus Nummer 17 zu untersuchen. Alte Grundbuchunterlagen zeigten, dass das Haus vor 1945 einer Familie gehörte, die während der letzten Kriegsjahre spurlos verschwand. Es gab keine offiziellen Todesmeldungen, keine bekannten Nachfahren.
Helga M. war erst Ende der 1970er-Jahre dort eingezogen.
Im Keller entdeckte die Polizei eine staubige Kiste mit alten Dokumenten und Fotografien. Darunter ein Schwarzweißfoto:
Ein kleiner Junge stand neben derselben Pendeluhr. Auf der Rückseite des Fotos stand handschriftlich:
„03:17 – Vergiss es nicht.“
Dieses Foto wurde nie öffentlich gezeigt.

EIN FALL OHNE TÄTER
Nach Monaten der Ermittlungen verkündete die Polizei ihr Ergebnis:
Der Täter müsse eine Person aus Helgas Vergangenheit gewesen sein – jemand mit einer tiefen Verbindung zum Haus oder zu Ereignissen, die Jahrzehnte zurücklagen. Teile der Akte wurden unter Verschluss genommen, offiziell aus „historischen und familiären Gründen“.
Es kam zu keiner Anklage.
Der Fall blieb ungelöst.
DAS HAUS, DAS NICHT RUHT
Haus Nummer 17 steht bis heute leer. Die Fenster sind vernagelt, das Grundstück abgesperrt. Doch die Bewohner von Bad Münstereifel sprechen noch immer darüber.
Mehrere Menschen behaupten, dass sich in kalten Winternächten punktgenau um 03:17 Uhr das Licht im oberen Stockwerk einschaltet – obwohl das Haus seit Jahren keinen Strom mehr hat.
Niemand ist je hineingegangen, um es zu überprüfen.
Denn manche Geheimnisse, so sagen die Älteren in der Stadt,
sollten besser im Dunkeln bleiben.




