Die Einzimmerwohnung in Essen – Ein Abendessen mit offenen Fragen
Es war ein gewöhnlicher Vormittag in einem ruhigen Wohnblock im Essener Stadtteil Altenessen, als mehrere Nachbarn unabhängig voneinander die Polizei verständigten. Ein ungewöhnlicher Geruch sei aus einer Einzimmerwohnung im zweiten Stock gedrungen, berichteten sie. Zunächst dachte man an verdorbene Lebensmittel oder ein technisches Problem. Doch als die Beamten die Wohnung öffneten, wurde schnell klar: Es handelte sich um einen Todesfall, dessen Umstände mehr Fragen als Antworten aufwarfen.

Der Verstorbene war ein 61-jähriger Mann, der allein lebte und in der Nachbarschaft als zurückgezogen, aber freundlich galt. Er wurde tot auf seinem Sofa aufgefunden, ordentlich angekleidet, ohne sichtbare Kampfspuren. Die Wohnung war verschlossen, es gab keinerlei Hinweise auf ein gewaltsames Eindringen. Fenster und Tür waren unbeschädigt, Wertgegenstände wie Bargeld, Laptop und Schmuck befanden sich noch an ihrem Platz. Auf den ersten Blick deutete vieles auf einen natürlichen Tod hin.
Doch schon wenige Minuten später stießen die Ermittler auf Details, die Zweifel aufkommen ließen.
Auf dem kleinen Esstisch in der Nähe der Küchenzeile standen zwei benutzte Teller, Besteck und zwei Gläser. Reste eines offenbar frisch zubereiteten Abendessens waren noch vorhanden. Für einen Mann, der allein lebte, war das ungewöhnlich – vor allem, da Nachbarn bestätigten, dass er selten Besuch empfing. „Er war höflich, aber eher für sich“, sagte eine Bewohnerin des Hauses. „Wenn jemand da war, hat man das gemerkt.“
Die Rechtsmedizin stellte fest, dass der Mann bereits seit mehreren Stunden tot war. Eine eindeutige Todesursache konnte zunächst nicht festgestellt werden. Es gab keine offensichtlichen Verletzungen, keine Anzeichen eines Sturzes. Die Leiche wies jedoch Anzeichen eines plötzlichen Kreislaufversagens auf, weshalb auch eine Vergiftung oder ein medizinischer Notfall in Betracht gezogen wurde.

Entscheidend wurde die Auswertung des Mobiltelefons des Verstorbenen. Ermittler fanden eine Nachrichtenkonversation, aus der hervorging, dass er am Vorabend eine ihm bekannte Person zum Abendessen eingeladen hatte. Die Verabredung war freundlich formuliert, ohne Hinweise auf Streit oder Spannungen. Laut den Standortdaten und der letzten Aktivität des Gastes verließ diese Person die Wohnung kurz vor Mitternacht.
Seitdem fehlt von ihr jede Spur.
Die Polizei bestätigte, dass diese Person bislang nicht wieder in der Wohnung erschienen ist und auch nicht von sich aus Kontakt zu den Behörden aufgenommen hat. Ob es sich um einen Bekannten, eine frühere Beziehung oder eine lose Bekanntschaft handelt, wurde aus ermittlungstaktischen Gründen nicht bekannt gegeben. Klar ist nur: Die Person gilt derzeit als wichtige Auskunftsperson.
Besonders rätselhaft ist die Tatsache, dass der Mann offenbar noch lebte, als sein Gast die Wohnung verließ. Es gibt keine Hinweise darauf, dass es zu einem Streit gekommen ist. Nachbarn hörten weder laute Stimmen noch Geräusche, die auf eine Auseinandersetzung hindeuten würden. Alles deutet auf einen ruhigen Abend hin – bis zu dem Moment, an dem etwas schiefging.

Die Ermittler prüfen nun mehrere Szenarien. Möglich ist ein medizinischer Notfall, der kurz nach dem Weggang des Gastes eintrat. Ebenso wird untersucht, ob Substanzen im Spiel waren, die unbemerkt verabreicht wurden – freiwillig oder unabsichtlich. Die toxikologischen Ergebnisse stehen noch aus und könnten entscheidend sein, um zu klären, ob der Tod natürlichen Ursprungs war oder ob eine Fremdeinwirkung vorliegt.
Für die Nachbarschaft bleibt ein Gefühl der Unruhe zurück. „Man fragt sich automatisch, ob man jemanden kannte, ohne ihn wirklich zu kennen“, sagte ein Hausbewohner. „Und ob so etwas einfach passieren kann, ohne dass jemand etwas merkt.“
Die Polizei betont, dass derzeit keine akute Gefahr für die Öffentlichkeit bestehe. Dennoch wird der Fall nicht als abgeschlossen betrachtet. Solange die Todesursache nicht eindeutig geklärt ist und die letzte Kontaktperson nicht befragt werden konnte, bleibt der Verdacht bestehen, dass es sich nicht um einen rein natürlichen Todesfall handelt.
Ein scheinbar harmloses Abendessen in einer kleinen Wohnung – und doch ein Ereignis, das nun die Ermittler beschäftigt. Zwei Teller auf dem Tisch erzählen von Nähe, von Gesellschaft, von einem Abend, der nicht allein verbracht wurde. Was danach geschah, ist bislang unbekannt. Und genau darin liegt das beunruhigendste Detail dieses Falls.




